Der "erhobene Zeigefinger" : Lateinamerikanische Einflüsse auf Jazz, Rock und ...

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Gast1463

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Der "erhobene Zeigefinger" : Lateinamerikanische Einflüsse auf Jazz, Rock und "Popularmusike" insgesamt. Ein paar Zeitangaben. - (Gleich mal KS-Treff und seine neue Software testen.)

- Baby Dodds, Schlagzeuger bei Louis Armstrong in den 1920ern, gab in seiner Biographie (The Baby Dodds Story, As told to Larry Gara, rev. ed., 1992) an, dass man in seiner Zeit, um/ab 1900, in/um New Orleans, keinen Job bekam, wenn man als Schlagzeuger nicht auch lateinamerikanische Perkussions-Instrumente beherrschte. Und der Blues und frühe Jazz in/um New Orleans soll sich damals recht "latinhaft" angehört haben (Kuba als wichtigstes Land lateinamerikanischer Musik - vor Brasilien - liegt quasi schräg gegenüber). Klangquellen von damals gibt es leider nicht. Die ersten Tonträger mit frühem Jazz und Blues entstanden ab 1917.

- Dizzy Gillespie besuchte als US-Super-Jazz-Trompeter in den 1940ern Kuba. Mit daraus entstand der Afro-Cuban-Jazz und ein bis heute spürbarer Bebop-Einfluss in lateinamerikanischer Musik, vor allem dem Salsa. An dieser Stelle aber muss gesagt werden, dass d i e lateinamerikanische Musik etwas aus sehr unterschiedlichen Stilen ist und Verallgemeinerungen mit Vorsicht vorzunehmen sind. Dabei ist Salsa eine Art lateinamerikanisch-musikalisches Sammelbecken geworden.

- "Der dritte Mann", Spielfilm, etwa 1947, Wien, Viersektorenstadt, mambo-ähnliche Latin-Klänge in der englischen Besatzungszone in der Filmmusik, wie der Mambo überhaupt während dieser Zeit großen Einfluss hatte (vergleichbar heute dem Salsa).

- Lateinamerikanische Musike, vor allem der Chacha und sodann auch Bossa Nova (siehe/höre Orchester Paris Prado, u. a.), hatte (durch ihre überwiegend "gleichmäßige Spielweise") enormen Einfluss auf die Entstehung der seither und heute global dominierenden (überwiegend "gleichmäßigen") Rockmusik aus dem Rock-&-Roll an etwa Ende der 1950er.

- Billy Cobham, geboren und Trommelanfänge in Panama, bevor seine Eltern und er nach NYC zogen, wo er ab etwa 1970 weltberühmt und das Sinnbild des Rockjazz' schlechthin wurde. Er war hin und wieder in Kassel, letztlich April 2012, Konzertsaal, Institut für Musik, Universität, und wohnt seit längerem in der Schweiz.
. Billy Cobham in Kassel (Mitte 1980er Musiktheater, um 1990 Staatstheater, 2012 Konzertsaal/Institut für Musik)
. Billy Cobham & Fania All Stars


- Salsa hat sich seit etwa den 1970ern als eine Art Sammelbecken lateinamerikanischer Musikstile entwickelt. Eine wichtige Rolle hierbei spielte Carlos Santana (Gitarre). Durch ihn quasi verschmolzen rock- und lateinamerikanische Musik zu Latinrock, eng vernknüpft damals mit der Entstehung des Salsa. Der Salsa hat seitdem Einiges an Entwicklung durchgemacht. Beispielsweise bezog man durch und mit dem Salsa quasi erstmals das wichtige Schlagzeugelement der Bassdrum (oder Basstrommel) oder das Schlagzeug überhaupt ein in lateinamerikanische Musik. Die Bassdrum wird heute in zum Teil recht jazziger Weise im Salsa-Schlagzeug-Stil eingesetzt (so auf "1 und ...", d. h. synkopiert). Anfangs, in den 1970ern, fehlte oft die Basstrommel sowie das Schlagzeug überhaupt im Salsa und wurde in seiner grundlegenden Rhythmusfunktion hauptsächlich durch die Timbales, ein rein handgespieltes und aus Kuba stammendes Schlaginstrument, wahrgenommen. Wer die deutsch-amerkanischen Volksfeste, auch im Hessischen, vielleicht mal besuchte, konnte Zeitzeuge jener Entwicklung werden, wie in dortigen Salsa-Bands und damit im Salsa überhaupt seit den 1980ern Schlagzeug samt Bassdrum Einzug hielten. Siehe auch: Jerry Gonzalez/Steve Berrios ... (Schlagzeuggeschichte, Die Dritte ...). Aber - hallo! - im Nordhessischen bzw. der "Kasseläääner Region, gibt's ja Anschauung original pur" : Alvaro :


"Exkurs" (eingefügte Anmerkung) zu Spanien.
#1 Spanien dürfte das älteste kulturell hoch entwickelte Land Europas sein (vielleicht älter als Alt-Griechenland). In Spanien gab's vor vier- bis fünftausend Jahren Herstellung von Waren aus Silber, die im ganzen Mittelmeerraum getauscht/gehandelt wurden, sicher auch mit dem damals kulturell hoch entwickelten Alt-Ägypten ( = Nord-Afrika : "Nofretete & Co" ).
#2 Wo ist das Gold, das Spanien bei der Eroberung Lateinamerikas von den Inkas & Co "weg fand" ? Laut Fernsehen in der zentralen Bank Russlands. Wieso ? Das Gold zahlte die 'linke' Regierung im Spanischen Bürgerkrieg (1930er) an Stalin, um von ihm bzw. der damals kommunistischen Sowjetunion Hilfe gegen die 'rechten' Rebellen (Franco ...) zu erhalten.
#3 Was hat das mit Jazz bzw. lateinamerikanischem Einfluss zu tun ? - Nichts. - Äh, ein bisschen schon. Der arabische Einfluss in Spanien und von Spanien auf Lateinamerika war seit jeher groß. Spanien liegt eben im Mittelmeerraum, und daher der arabische Musik- und Kultureinfluss. Den übertrug Spanien bei seiner Eroberung mit seiner Kultur mit nach Lateinamerika. Regional recht unterschiedlich schlägt mit der indianische Einfluss hier und da bis heute gewiss durch. Aber ohne lateinamerikanischen Einfluss insgesamt wären jedoch andere Cowboystiefel im Wilden Westen der USA entstanden (die spanisch-arabischen Einfluss-Elemente auf die Stiefel würden fehlen) als auch eine anderen Art Jazz und Rock (New Orleans / Kuba, "Mexican Border", Santana ...).
 
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Gast1463

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Noch was zur Entstehung der Rockmusike & lateinamerikanischem Einfluss.

Als erster "offizieller" Rockmusike-Titel gilt "Peter Gunn", 1958, von Duane Eddy, Gitarrist. Auf den wird übrigens auch die typische Gitarrencombo (von damals The Beatles bis heute, Alternativrock- oder Metalband) zurück geführt, nämelich: Gitarre-Bass-Schlagzeug (manchmal auch zwei Gitarren).

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"Peter Gunn", 1958, Duane Eddy (g)

Was unterscheidet noch mal Rockmusike von Rock & Roll (zumindest in Deutschland, nicht so in den USA, da ist alles Rock & Roll, bis heute) ? Binär = Rockmusik (oder gleichmäßig, auch "straight"). Ternär = Rock & Roll (Elvis Presley u. a., auch "punktiert", triolenhaft, "swingend", shuffle-mäßig). Bei den Rock&Roll-Klassikern von Chuck Berry (voc, g) ist der Übergang von ternär zu binär, zwischen 1952-62, fast am besten zu verfolgen.

Zwar haben Chacha (um 1956 populär geworden) und überhaupt lateinamerikanische Musike den Übergang von ternärem Rock & Roll zu binärer Rockmusike enorm befördert. Doch klangen auch Songs in Anlehnung an lateinamerikanische Musik vor 1958 noch teilweise ternär; z. B.:

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"Banana Boat Song", 1957, Harry Belafonte (voc), d e r Superhit im Sommer jenes Jahres in Deutschland

Dasselbe, auch 1957, der Debüt-Hit von Paul Anka (voc), "Diana", bringt recht ähnlich den in "Banana Boat Song" noch ternären Rhythmus bereits binär. Insofern ist der Debüt-Hit von Paul Anka ein bedeutender Prototyp oder markanter Vorbote ab 1958 kommender Rockmusik.

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"Diana", 1957, Paul Anka (voc), ein auch renommierter Komponist der Hits anderer InterpretInnen

Die Bridge oder der Zwischenteil in Paul Ankas "Diana" ist allerdings doppelt so schnell, ein schneller 4/4, wie er schneller kaum sein kann, und zwar so schnelle, dass man quasi keine triolischen Beats mehr unterbringen kann. Dadurch wird auch dieser 4/4 binär (ansonsten wurde er bis da noch zumeist etwas langsamer bis ganz langsam und ternär gespielt).

- Jazz-in-Kassel -
 
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Gast1463

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1958. - Ein denkwürdiges Jahr (für Rock & Jazz).

Der Fußballweltmeister von 1954, Deutschland (Bundesrepublik), wurde bei der Weltmeisterschaft in Schweden "nur" Vierter. Angeblich erlebte die Weltwirtschaft ihre erste Wirtschaftskrise, von der die Bundesrepublik kaum betroffen war (laut Wikipedia über 1958). Die Bundesrepublik hatte gerade 1956 eine Wirtschaftskrise erlebt, vor allem aber die wirklich markante noch vor sich: 1961, das Jahr des Mauerbaus, aber vor allem das wirkliche Ende des so genannten Wirtschaftswunders ("marxistisch" betrachtet sank von da an die Profitrate der Bundesrepublik ...), renommierte Firmen wie der Erbauer ausgesprochen schöner Autos, Borgward, machten Pleite.

Aber zurück zu 1958, dem Jahr des ersten "offiziellen" Songs der bis heute und nun global dominierenden Rockmusik, "Peter Gunn", Duane Eddy (g, siehe oben). Zugleich hörte damit die auch während des Rock & Rolls (etwa 1952-58) beherrschende Stellung des Jazz' auf, so wie er heute im wesentlichen verstanden wird. Im quasi letzten Jahr der großen Zeit des Jazz, 1958, entstand zugleich ein Jazzfilm-Klassiker, in dem nicht nur alle vertreten waren, die damals im Jazz Rang und Namen hatten, sondern auch damalige Stars des Rock & Rolls wie Chuck Berry (voc, g): "Jazz on a summer's day" . Bestimmt lohnenswert und aufschlussreich, sich diesen Streifen anzusehen (etwas über eine Stunde). - "Aber Vorsicht, neuerdings wird ja auch Streaming abgemahnt ..." (trifft die NSA sicher nicht) ... aber nein, hier sollte man sich mal nicht einschüchtern lassen (!!!) - :

u. a.
 
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Gast1463

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Die Klarinette (cl), ein fast vergessenes Instrument. In der Popularmusike war bzw ist sie zu hören in Benny Goodmans (und Gene Krupas, dort am Schlagzeug) "Sing Sing Sing" (1938) und vielleicht viel später noch mal in Brandon Ross' (Gitarre) "The Ugly Waiter" (1990) (*) sowie ansonsten im bis heute kneipenträchtig beliebten Kollektivspiel des "Dicke-Backen-Jazz'" (New-Orleans-Jazz, Dixieland: ... Tuba-Posaune-Trompete- K l a r i n e t t e ). In "Jazz on a summer's day" ist zwischen 00:48:10 - 00:48:60 allerdings eines der "schärfsten" Rock-&-Roll-Solos mit Gitarre (Chuck Berry, in seinem dortigen Hit "Sweet Little Sixteen") und eben Klarinette zu hören.
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(*) http://www.allmusic.com/album/live-at-the-knitting-factory-vol-3-mw0000204560
 
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Gast1463

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Am Schluss (der zusätzlichen Anmerkungen) wieder lateinamerikanischer Einfluss und seine Pioniere: George Shearing Quintet (zwischen 00:31:40 - 00:33:50 ).

#1: George Shearing. Piano, 1919-2011, USA, Modern- und Latinjazz, Komponist von über dreihundert Songs, darunter der berühmte Jazzstandard "Lullaby Of birdland" (1952), das in den frühen 1950ern mit Text gar ein großer Schlager, sogar in Deutschland, wurde
#2-5: Vibrafonist. Bassist. Timbales-, Conga-Spieler.
 
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Gast1742

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Die Klarinette erschien schon noch mal auf der 'popularmusikalischen Bildfläche', und zwar durch zwei sehr erfolgreiche Songs, einmal von Sidney Bechet, "Petite Fleur", 1959, und dann Acker Bilk, "Stranger On The Shore", 1961, sowie bei Chris Barber.

- Sidney Bechet, "Petite Fleur", 1959 (hier schon 1952 aufgenommen)

- Acker Bilk, "Stranger On The Shore", 1961
 
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Gast1742

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Ein letzter, wenn nicht d e r Klassiker am Ende des 1950er Rock & Rolls, genau 1958:

- Jerry Lee Lewis, "High School Confidential

Ein erster, wenn nicht d e r Klassiker am Anfang der frühen Rockmusik bzw Vor-Beat- oder Vor-Beatles-Zeit, 1959:

- Freddy Cannon, "Tallahassee Lassie"
 
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Gast1742

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Teil-Aktualisierung: 'Jazz On A Summer's Day', 1958

- Chuck Berry, "Sweet Little Sixteen", in 'Jazz On A Summer's Day', Newport Jazz Festival, 1958

"... zwischen 00:48:10 - 00:48:60 allerdings eines der 'schärfsten' Rock-&-Roll-Solos mit Gitarre (Chuck Berry, in seinem dortigen Hit 'Sweet Little Sixteen') und eben Klarinette zu hören..." (siehe oben)
 
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Gast1742

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Teil-Aktualisierung: 'Jazz On A Summer's Day', 1958

- Jimmy Giuffre (1921-2008, ein exzellenter Saxophonist) u. a., "The Train And The River", 1958
 
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